Seit altersher ließ die geheimnisumwobene Zeit zwischen den Jahren mit den kürzesten Tagen und dunkelsten Nächten fromme Bräuche lebendig werden.
Wilde Jäger, übersinnliche, himmlische, meist unsichtbare Gestalten - eine wilde Spukwelt treibt sich um, und dämonische Gegenspieler ziehen während der beschaulichen Feiertage über das Land und machen so die Mittwinterzeit zur unheimlichsten und zauberträchtigsten Zeit. Am Anfang der mythischen Gebräuche stand das immerwährende Verlangen des Menschen, irdisches Glück für das kommende neue Jahr heraufzubeschwören.
Das Weihnachtsfest, der Höhepunkt im Jahresablauf, hat viele Ursprünge und ist mit außerchristlichen Elementen unlösbar verflochten. Obwohl strenggläubige Kirchenmänner immer und zu allen Zeiten versucht haben, diesen als heidnisch und als Zauberei und Hexenwesen verfemten Bräuchen entgegenzuwirken, ist der starke Volksglaube über Jahrhunderte siegreich geblieben. Nach der frühen Erkenntnis, dass die uralten Sitten und Gebräuche der vorchristlichen Völker nicht durch Verbote und Verfolgungen ausgelöscht werden konnten, begann sich die Kirche anzupassen und hat auf diese Weise ungewollt heidnisches Brauchtum erhalten. Die heidnischen Relikte vermischten sich mit dogmatischen Überlegungen, die Verchristlichung germanischer Kulte sollte als tragfähige Brücke zwischen Heidentum und Christentum dienen.
Vor den Anfängen der Krippenverehrung, für die der Hl. Franz von Assisi im Wald von Greccio im Jahr 1223 den Grundstein legte, sah man zunächst keinen Anlass zu festlicher Stimmung. Das Gleichnis des Kindes für das neue Jahr begegnet uns schon früher mehrfach im Jahresbrauchtum, ohne dass eine Herleitung vom Christkind erlaubt wäre. Das Kind war Sinnbild für neues Leben schlechthin.
Die Geschichte der Geburt Christi ist nichts anderes als eine Nacherzählung dieses alten Mythos von der Geburt des Lichtes. Das Weihnachtsfest aber ist als Wintersonnwendfest schon viel älter als alle christlichen Kirchen und Sekten.
Tag und Jahr der Geburt des Nazareners sind bis heute ungewiss. Erst anno 354 wurde vom römischen Bischof Liberius das Weihnachtsfest vom 6. Jänner auf den 25. Dezember, dem Festtag des Sonnengottes Mithras, der aus einem Stein geboren worden sein soll, vorverlegt.
Viele sagenumsponnene Gebräuche begleiten seit jeher das Weihnachtsgeschehen. Das Brauchtum als Ausdruck- und Verständnismittel ist landschaftsweise sehr unterschiedlich.
Damals kennen weite Landstriche den von den Kindern mit banger Sehnsucht erwarteten Gabenbringer als das "Goldene Rössl" (auch vereinzelt als das "Silberne Rössl" bekannt). Der allgemeine Kinderglaube, dieses sagenhafte Wundertier am Weihnachtstag (auch Fastweihnacht) um 11 Uhr über den First springen zu sehen, geht auf die indogermanischen Sonnenrosse "Alswinn" (Allwisser) und "Arvakr" (Frühwach) zurück. Dem Pferd als Zeitsymbol beinahe aller Weltreligionen wird Wachstumsgeist, transzendente Kraft und prophetisches Wissen zugesprochen. Man identifizierte das Ross mit dem Kosmos. Es nahm als Wesen geistiger Intuition im ganzen nordeuropäischmittelasiatischen Kulturkreis eine besondere Stellung ein und galt geradezu als Leittier des hellsichtigen Wissens.
Bis heute hat das "Goldene Rössl" die Erinnerung an die Sonnenrosse wach gehalten. Brave Kinder bescherte es nächtlicherweise mit roten Äpfeln, Zwetschken, Kletzen und Nüssen, den Sinnbildern der Fruchtbarkeit und Glück. Zu den beliebtesten Angedingen zählte jedoch das vor Krankheit und Unheil bewahrende Kletzenbrot. Genau wie heute beim Christkind, verkündete Schellengeläute die Ankunft dieser weihnachtlichen Lichtgestalt. Mitunter war das goldene Pferdchen einem goldenen, mit Geschenken beladenen Wagen vorgespannt - Gebildbrote (Gebäckformen, die menschliche oder tierische Gestalten darstellen) und Christbaumschmuck des 19. Jahrhunderts verbildlichen diese kindliche Vorstellung.
Dem "Goldenen Rössl" gingen jedoch andere Gabenbringer voraus. Weihnachts- und Volksbräuche zeigen ein oft abgewandeltes Gesicht. Es ist die Beschenkung unter den Erwachsenen zu Neujahr überliefert (Sebastian Brants "Narrenschiff"). Ab dem 15. Jahrhundert tritt das Neujahrskindl als Geschenküberbringer in Erscheinung und wird ab dem 16. Jahrhundert vom heiligen Nikolaus (nicos = schenken, laos = Volk) abgelöst. Diese Abgrenzung der Gabengestalten ist nicht wortwörtlich aufzufassen, selbstverständlich war dies gebietsweise sehr unterschiedlich. Es traten neben dem populärsten Heiligen der Christenheit aus Myra außerdem eine Vielzahl kinderfreundlicher, aber auch böser und gefürchteter Begleitpersonen auf.
Ab welchem Zeitpunkt nun das "Goldene Rössl" beschenkte, liegt leider im Dunkeln der Geschichte. Fest steht, dass dieses Pferdchen schon um 1400 im Brauchtum gegenwärtig war, eine in der Schatzkammer des Wallfahrtsortes Altötting aufbewahrte Pariser Goldschmiedearbeit bezeugt dies. Eines der schönsten "Goldenen Rössl" besitzt das älteste Frauenkloster der Welt, Stift Nonnberg bei Salzburg, aus dem 15. Jahrhundert.
F. Schrönghammer-Heimdal, ein Schriftsteller des altbayerischen Innviertels, schildert in seinen Jugenderinnerungen den feierlichen Ablauf des Weihnachtsfestes.
In seiner Kindheit kannte man noch das "Goldene Heinßl". An keinem anderen Abend des Jahres waren die Kinder braver als an diesem. Kienspanslicht erhellte die warme Stube, in der erwartungsvoll die Kinder harrten - und gerade dieses gespenstisch glosende Spanlicht unterstrich die herrschende Spannung, die erst durch das Klingeln der Schellen gelöst wurde. In die vor der Tür aufgestellten, sauber geputzten Schuhe legte das "Goldene Heinßl" Nüsse, Früchtebrot, Äpfel, Süßigkeiten, Lebkuchen und Honigbrötchen (Honig ist ein sehr altes dämonenvertreibendes Heilmittel, das den Gebildbroten erst die richtige Bedeutung verleiht).
In einigen Gegenden mussten die Kinder außer dem zu erbringenden Gehorsam streng fasten, erst dann gab es eine Hoffnung, dieses wundersame Tier zu sehen.
Der bis 1850 noch weit verbreitete Kinderglauben ist dann nach und nach durch den Einzug des Christkindes immer mehr in den Hintergrund gedrängt worden und heute scheinbar gänzlich in Vergessenheit geraten. Von der Rieder Bürgerfamilie Rapolter ist überliefert, dass bis zur Einführung des ersten Christbaumes in Ried im Jahre 1840 das "Goldene Heinßl" zu den Kindern gekommen war. Etwas abgeändert war die Bescherung in Rainbach im Innviertel, da lief das "Goldene Heinßl" über den First des Scheunendaches und warf einen Sack voll Kletzen in den Hof. Dass es aber vorbeikam, mussten die Kinder mit Fasten verdienen.
In Mörschwang lebte der Glaube an das "Goldene Heinßl" noch in den 1920-er Jahren in den Herzen der Kinder. Man meinte zu sehen, dass es während des Mettenamtes um den Altar trabte oder am Morgen über den First eines Bauernhauses sprang. Allerdings bekamen nur wirklich brave Kinder dieses geheimnisvolle Pferdchen zu Gesicht.
Es ist sicherlich nicht uninteressant, dass auch goldene Schweinchen als Geschenkbringer fungierten. Frau Adelheid Popp, eine Mitbegründerin der sozialdemokratischen Frauenbewegung, zitiert von den in der Volkskunde wohl vertrauten Schweinchen in der "Jugendgeschichte einer Arbeiterin": "......Mit seligen Gefühlen trug ich meinen Weihnachtsbaum nach Hause und mit reiner Freude schmückte ich ihn. Die "Goldenen Schweinchen" waren zwar noch nicht erschienen, aber die Arbeit hatte mir Gelegenheit gegeben, teilzunehmen an den Freuden, von welchen ich bis dahin ausgeschlossen war..." So feierte das "Proletariat" der Peripherie Wiens das Lichterfest.
Dieser Artikel kann nur andeutungsweise etwas über diese Volksbräuche mitteilen. Dieses Thema füllte im Laufe der Zeit ganze Bücher.
Es stimmt etwas traurig, wenn man daran denkt, um welches Empfinden die Kinder betrogen werden, durch eine viel zu frühe Aufklärung. Gerade diese jungen Herzen vermögen sich noch durch ihre unverfälschte Vorstellungskraft dem bedingungslosen Glauben an Geheimnisvolles hinzugeben. Wie arm sind unsere über alles unterrichteten, realistisch eingestellten - besser gesagt, von uns so erzogenen - jungen Leute. Alle sollten ihren Eltern und Großeltern dankbar sein, die ihnen ein Erlebendürfen einer wirklich kindlichen Welt gestatteten.
Frohe Weihnachten.
Von Elisabeth Grösswang